Nach ein paar Tagen Pause, die wir brauchten, um die vielen spannenden Eindrücke der "Grand Tour" mit dem Tuk Tuk auf uns wirken zu lassen, haben wir von unserem Guesthouse zwei Fahrräder gemietet, um uns zwei weitere Tage in Richtung Angkor Park in den Sattel zu schwingen. Oder besser gesagt: um uns auf zwei klapprige Drahtesel zu hocken und zu beten, dass wir sie in einem Stück wieder zurückbringen. Wir sollten eines Besseren belehrt werden! Aber dazu später mehr.

Am frühen Vormittag brachen wir auf und fuhren von unserem Guesthouse, am Old Market vorbei in Richtung Siem Reap River, den wir einige hundert Meter weiter querten, um auf der anderen Seite am Fluss entlang weiter in den Norden zu fahren. Bevor wir uns den atemberaubenden Tempelanlagen ein zweites Mal widmeten, wollten wir ein kleines Frühstückscafé am Fluss aufsuchen, das Peace Café. Nach knapp 20 Minuten Fahrzeit, keine 200m vor unserem Ziel, musste ich einem mit vier Menschen besetzten und aus der Seitenstraße schießenden Moped ausweichen und riss dazu meinen Lenker ein wenig stärker nach links. Knack! Es muss ziemlich bescheuert ausgesehen haben, wie ich nach einigen Metern taumelnd mein Gleichgewicht zurückgefunden hatte und mein linker Griff samt Hälfte des Lenkers in Richtung Vorderrad zeigte. Scheinbar hielt die uralte, mehrfach geflickte Schweißnaht doch nicht so viel aus, wie der sehr freundliche Besitzer des Cashew Nut Guesthouse, Steve, mir bei der Übergabe versicherte (er entschuldigte sich peinlich berührt übrigens mehrmals am nächsten Morgen als er davon erfuhr). Am Peace Café angekommen, bog ich den Lenker wieder zurück – wird schon passen, dachte ich. Zwar hatte ich den gesamten Tag über nur eine Bremse und einen Lenkergriff, an dem ich mich auf der holprigen und teilweise schlammigen Straße festhalten konnte. Aber es sollte ja auch viel Abenteuer dabei sein auf unserer Reise, also her damit!

 

 

Am späten Vormittag machten wir uns gut gestärkt auf den Weg in Richtung Angkor Archaeological Park. Kaum zwei Minuten später entschied sich dann unsere GoPro, dass sie die Speicherkarte nicht mehr mag – Ersatzkarte natürlich im Hotelzimmer. Kein Problem: Man soll ja immer das Positive sehen. Wer möchte schon Videos oder Fotos machen, wenn man sich solche völlig alltäglichen Weltkulturerbe-Tempel anschaut? Also, GoPro wieder eingepackt, zurück auf den Drahtesel gehockt und leicht zittrig mit meinem halben Lenker wieder angefahren. Weitere zehn Minuten später machte unsere Straße plötzlich eine starke Rechtskurve. Unsere Karte war sich aber ganz sicher, dass da keine Kurve weit und breit sei. Mmhh... Muss wohl neu sein die Kurve. Bestimmt macht die Straße gleich wieder einen Linksknick und schon fahren wir weiter in die richtige Richtung. Oder auch nicht. Nach weiteren zehn Minuten schnurstracks geradeaus, beschloss sich dann auch noch das Wetter gegen uns zu wenden. Heftiger Gegenwind und kohlrabenschwarze Gewitterwolken zogen plötzlich aus dem Nichts mit rasender Geschwindigkeit auf uns zu – am Horizont sah es bereits so aus, als würde dort minütlich die gesamte jährliche Niederschlagsmenge von Deutschland abregnen. So langsam aber sicher beschlich mich das Gefühl, dass dies nicht mein Vormittag sein sollte! Nach kurzem Überprüfen unserer Route und der sicheren Erkenntnis, dass wir ungefähr 15 Minuten lang in die falsche Richtung gefahren sind, drehten wir um und versuchten irgendwie diesem Gewitter zu entkommen. Wenigstens diesen Kampf haben wir gewonnen!

Zurück auf der richtigen Route, die wir ganz bewusst abseits der ausgebauten, touristischen Hauptstraße gewählt hatten, überquerten wir eine viel befahrene Landstraße und befanden uns plötzlich mitten auf einer scheinbar abgelegenen Dirtroad, die durch einen Wald führte. Wer sich in Deutschland über schlecht ausgebaute Straßen beschwert, der sollte einmal versuchen mit einem halben Lenker, auf einem ca. 20 Jahre alten, verrosteten Hollandrad, auf nicht ausgebauten Straßen in Kambodscha zu fahren. Zurückversetzt in unsere Kindheit fuhren wir lachend und schreiend im Schneckentempo zwischen den mit Regenwasser vollgelaufenen Löchern umher und bahnten uns unseren Weg. Dabei durfte natürlich nicht fehlen, dass wir alle drei Minuten stehenbleiben mussten, weil wieder eine unserer Wasserflaschen unten aus meinem Fahrradkorb gefallen war. Unten? Ja, unten. Der Drahtkorb war an einigen Stellen derart durchgerostet, dass die Flaschen in einem ungünstigen Winkel durch den Boden rutschen konnten. Gott sei Dank fielen sie ja meist relativ weich in tiefe Wasserpfützen!

 

Wohnsiedlungen am Rande von Siem Reap

So abenteuerlich die Fahrradtour klingt, umso spannender war der eigentliche Weg: Wir fuhren eine Wohnstraße einer ärmlich wirkenden Siedlung am Rande Siem Reaps entlang. Nach einigen hundert Metern kamen die ersten Hütten – teilweise bestanden diese aus kleinen Wellblechverschlägen, andere hingegen waren zwar sehr einfach, aber immerhin gemauert oder betoniert. Vereinzelt sahen wir auch sehr schöne Holzhäuser, die auf deutlich größeren „Grundstücken“ standen. Zwischen Scharen von Hunden, Katzen sowie Hühnern und oftmals Bergen von Schrott und Müll standen zu unserem Erstaunen häufig Autos und beinahe vor jeder Behausung – egal wie klein und heruntergekommen – ein Motorbike. Zwischendrin entdeckten wir eine Karaoke Bar, die bereits am Vormittag mit lauter Musik eine Ansammlung von Hütten beschallte – irgendwie eine merkwürdige Szenerie.

 




 

Beim Vorbeifahren an den Einwohnern grüßten wir meistens zurückhaltend, aber lächelnd und machten nahezu immer dieselbe Erfahrung: Ältere Einwohner guckten des Öfteren gleichgültig und sogar manchmal griesgrämig – dabei aber versteckt neugierig. Jüngere hingegen schauten schüchtern und sehr neugierig zu Beginn, fingen aber schnell an zu Lächeln oder zu Lachen, wenn man sie angrinste. Besonders freundlich empfangen wurden wir von nahezu allen Kindern, die uns auf unserem Weg begegneten. Hochgradig neugierig, freundlich und lachend winkten sie und riefen uns fast immer ein lautstarkes „Hello“ hinterher, wenn man zurückwinkte.

 


        

Ungefähr eine dreiviertel Stunde lang führte uns unser Weg zwischen der Hüttensiedlung hindurch, die eigentlich eher einem spärlich bebauten Feldweg glich, vorbei an einer Crocodile Farm inmitten eines Waldes, bis wir an einen kleinen Dorfplatz kamen – man könnte auch plattgewalzten Acker dazu sagen. Über den Dorfplatz kommt man, einigen verzweigten Dirtroads zwischen riesigen Büschen hindurch folgend, an eine wenig befahrene Landstraße, die direkt in den Angkor Park führt. Nach der Ticketkontrolle waren wir noch einige Kilometer unterwegs, bis wir am Ta Prohm Tempel ankamen, wo wir beinahe den gesamten zweiten Tag verbrachten.

 

 
 

Ta Prohm

Der Tempel Ta Prohm diente im Khmer-Reich als königliches Kloster und befindet sich in der Mitte des gesamten Angkor Parks. Besonders spannend ist, dass er im Gegensatz zu den restlichen Tempeln absichtlich kaum restauriert wird, sodass er seinen ursprünglichen Charakter behält. Die Tempelanlage liegt mitten im Wald, eingefasst von einer hohen Mauer und wunderschönen Eingangstoren, die mit Türmen und meterhohen Gesichtern aus Stein verziert sind. Geht man durch diese hindurch findet man eine Tempelruine, die von den vielen Bäumen und Pflanzen beinahe wieder gänzlich zurückerobert wurde. Was uns besonders beindruckt hat, waren die zahlreichen Würgefeigen und Tetrameles nudiflora (wen es interessiert – Google macht’s möglich) Bäume. Diese sind auf der gesamten Anlage zu finden und überwuchern mit ihren Wurzeln teilweise ganze Tempelgebäude. Atemberaubend!

 





   

Vollkommen fasziniert vom Tempel Ta Prohm vergaßen wir völlig die Zeit, wunderten uns, wie angenehm leer die Anlage wurde und bemerkten nicht einmal die einsetzende Dämmerung. Ein Wachmann wies uns freundlich mit einem „We’re closed, get out! Now!“ darauf hin. Besten Dank auch. Unsere Fahrräder waren weit und breit das einzige Fortbewegungsmittel, was man vor dem Tempel noch sehen konnte – kein Tuk Tuk, keine Autos oder Busse, keine Mopeds, nichts. In der immer stärker einsetzenden Dämmerung setzten wir uns auf unsere Drahtesel und radelten eifrig los, um schnell zum Haupttempel Angkor Wat zu kommen, bevor es völlig finster wurde. Hat nicht so richtig geklappt – nach etwa zehn Minuten Fahrt sahen wir die Hand vor Augen nicht mehr. So fuhren wir eine halbe Stunde, bis wir in die Stadt zu den ersten Straßenlaternen kamen, durch den dusteren Wald. Ich hatte alle Hände voll zu tun, Melli gut zuzureden bzw. zu rufen, da ihr diese Situation spürbar unheimlich war und sie sichtlich nervös und leicht ängstlich immer wieder den richtigen Weg überprüfte.

 

Als krönenden Abschluss unseres spannenden ersten „Radltages“ haben wir im Stadtzentrum noch einen kleinen Hindernisparcours hinter uns gebracht: einen Stau. Um den Old Market herum hatten sich einige hundert Meter lange Autoschlangen gebildet. Einen Stau in Kambodscha, auch wenn es nur ein kleiner ist, muss man erlebt haben! In jede noch so kleine Lücke, egal wo auch nur ein knapper Zentimeter Platz ist – da fährt man hinein. Ob man ein großer Reisebus, ein Auto, Fahrrad, Moped oder Tuk Tuk ist, spielt überhaupt keine Rolle. Sofern es der Gegenverkehr zulässt, bietet es sich als Moped in jedem Fall an, ganz auf der gegenüberliegenden Seite zwischen Bürgersteig und parkenden Autos zu fahren. Ein sehr witziges i-Tüpfelchen auf unserem unvergesslichen zweiten Angkor-Tag!

Nach einem wohlverdienten kühlen Angkor-Bier (oder waren es vielleicht auch zwei?!) fielen wir ziemlich erschöpft in die Federn und freuten uns auf unseren dritten (und leider schon letzten) Tag im Angkor Park, an dem wir die berühmten Tempel Angkor Wat und Angkor Thom besucht haben.

  

Lust auf mehr? Hier findest Du unsere Bilder zum Angkor Park - Mit dem Fahrrad zum Ta Prohm Tempel.


Für Entdecker: UNESCO World Heritage Centre - AngkorAngkor Archaeological Park Übersichtskarte

 

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